Erbrecht
Die Verlassenschaft oder der Nachlaß ist der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, insofern diese nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind. Das Erbrecht ist das ausschließliche Recht, die ganze Verlassenschaft oder einen Teil derselben in Besitz zu nehmen. Das Erbrecht tritt erst nach dem Tode des Erblassers ein. Stirbt ein vermeintlicher Erbe vor dem Erblasser, so hat er das noch nicht erlangte Erbrecht auch nicht auf seine Erben übertragen können.
„Wem gehören die Sachen des Verstorbenen nach seinem Tod?“ Das Vermögen des Erblassers gehört zwischen Erbanfall und Einantwortung der Verlassenschaft; die Verlassenschaft gilt als juristische Person. Der Erbe aber, der bei Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweist, hat das Recht (ohne dass er hierzu einer Bewilligung bedürfte; ipso iure), das Verlassenschaftsvermögen zu benützen, zu verwalten und die Verlassenschaft zu vertreten, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet. Benützt werden können körperliche Sachen wie zum Beispiel eine Wohnung oder ein Auto. Auf Verlangen hat der Gerichtskommissär (Notar) dem/den Berechtigten eine Amtsbestätigung über ihre Vertretungsbefugnis auszustellen. Mit dieser Amtsbestätigung wird das Recht aber nicht verliehen, sondern nur bescheinigt (etwaige Geschäftspartner werden oftmals auf deren Vorlage bestehen).
„Das gehört ja mir!“: Wird die Behauptung bestritten, dass eine Sache zum Verlassenschaftsvermögen zählt, so hat das Gericht darüber zu entscheiden, ob diese Sache in das Inventar aufgenommen bzw. ausgeschieden wird. Befand sich die Sache zuletzt im Besitz des Verstorbenen, so ist sie nur dann auszuscheiden, wenn durch unbedenkliche Urkunden bewiesen wird, dass sie nicht zum Verlassenschaftsvermögen zählt. Gibt es keine entsprechende Urkunde, muss die Herausgabe der Sache im streitigen Verfahren mittels Klage durchgesetzt werden.
„Ich bin erbunwürdig?!“ Wer gegen den Verstorbenen (vormals „Erblasser“) oder gegen die Verlassenschaft eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, ist erbunwürdig, sofern der Verstorbene nicht erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat. Mit strafbaren Handlungen gegen die Verlassenschaft ist gemeint, dass jemand Sachen aus der Verlassenschaft unterschlägt oder stiehlt oder widerrechtlich vom Konto des Verstorbenen Geld abhebt. Ebenso ist erbunwürdig, wer absichtlich die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt hat oder zu vereiteln versucht hat oder dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat.
Die Erbunwürdigkeit zieht auch den Ausschluss vom Pflichtteil nach sich. Bloß liebloses Verhalten macht nicht erbunfähig. Der Ausschluss vom Erbrecht infolge Erbunwürdigkeit tritt kraft Gesetzes ein; über das Vorhandensein dieser Wirkung kann nur im Rechtsweg entschieden werden. Nach nunmehr geltender Rechtslage gibt es keine Erbrechtsklage mehr. Die Erbrechtsfeststellung erfolgt im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens, also im Verfahren außer Streitsachen, wobei hier ausschließlich Richterzuständigkeit (und nicht Rechtspflegerzuständigkeit) herrscht. Das Verfahren weist nicht nur in emotionaler, sondern auch in juristischer Hinsicht deutliche Parallelen zum streitigen Verfahren (Zivilprozess) auf. Die Erbantrittserklärten müssen sich in diesem Verfahren von einem Rechtsanwalt vertreten lassen, wenn der Wert der Nachlassaktiva voraussichtlich Euro 5.000,- übersteigt. Wie im Zivilprozess gilt auch im Verfahren über das Erbrecht die objektive Beweislast mit der Konsequenz, dass derjenige die Beweislast trägt, dem nach früherem Recht die Klägerrolle zugeteilt worden wäre (Schilchegger/Gruber, Österreichisches Verlassenschaftsverfahren, 112 f). Welche Kosten den Parteien auferlegt werden entscheidet das Verlassenschaftsgericht ohne weitere Erhebungen. Nach Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses sind erbrechtliche Ansprüche nur noch mit klage geltend zu machen (streitiges Verfahren).
Die Anordnung, wodurch ein Erblasser sein Vermögen, oder einen Teil desselben einer oder mehreren Personen widerruflich auf den Todesfall überlässt, heißt eine Erklärung des letzten Willen. Der Wille des Erblassers muss bestimmt, nicht durch bloße Bejahung eines ihm gemachten Vorschlags; er muss im Zustande der vollen Besonnenheit, mit Überlegung und Ernst, frei von Zwang, Betrug, und wesentlichem Irrtum erklärt werden. Wird bewiesen, dass die Erklärung in einem hierfür erforderliche Besonnenheit ausschließenden Zustand, wie dem einer psychischen Krankheit, einer geistigen Behinderung oder der Trunkenheit, geschehen sei, so ist sie ungültig.
Entscheidend ist, ob die Krankheit des Erblassers auf seine Willensbildung bei der Testamentserrichtung von Einfluss war. Haben diese Wahnvorstellungen bewirkt, dass die normale Freiheit der Willensbildung bei der Testamentserrichtung fehlte, dann ist diese ungültig. Der Anfechtung unterliegt auch ein notarielles Testament (zur Anfechtung siehe oben).
Nottestament: Droht unmittelbar die Gefahr, dass der Erblasser stirbt oder die Fähigkeit zu testieren verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag, so kann er auch mündlich oder schriftlich (Anm: von einer anderen Person als dem Erblasser geschrieben) unter Beiziehung zweier fähiger Zeugen testieren, die zugleich gegenwärtig sein müssen. Ein so erklärter letzte Wille verliert drei Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit (Anm: wenn der Erblasser also die folgenden drei Monate überlebt). Eine mündliche letzte Anordnung muss auf Verlangen eines jeden, dem daran gelegen ist, durch die übereinstimmenden Aussagen der zwei Zeugen bestätigt werden, widrigenfalls diese Erklärung des letzten Willens ungültig ist. Es genügt, dass der letztwillig Verfügende subjektiv vom Vorliegen einer solchen Gefahr ausgeht, sofern ein Eindruck aufgrund objektiver Umstände allgemein nachvollziehbar ist.
Gesetzliche Erben sind der Ehegatte und diejenigen Personen, die mit dem Erblasser in nächster Linie verwandt sind; zur ersten Linie gehören seine Kinder und seine Enkelkinder. Der Ehegatte ist neben den Kindern des Erblassers zu einem Drittel des Nachlasses, neben Eltern und Geschwistern des Erblassers zu zwei Drittel des Nachlasses gesetzlicher Erbe. Dem Ehegatten gebührt grundsätzlich als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind.
Pflichtteil: Personen, die der Verstobene in der letzten Anordnung bedenken muss, sind seine Kinder und der Ehegatte/eingetragene Partner (§ 757 ABGB). Als Pflichtteil gebührt jeder pflichtteilsberechtigten Person die Hälfte dessen, was ihr nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre. Wenn ein Pflichtteilsberechtigter auf den Pflichtteil verzichtet, erhöht dies im Zweifel die Pflichtteile der anderen Pflichtteilsberechtigten nicht.
Pflegevermächtnis: Einer Person, die dem Verstorbenen nahe gestanden ist und diesen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens 6 Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß (=durchschnittlich mehr als 20 Stunden pro Woche) gepflegt hat, gebührt dafür ein gesetzliches Vermächtnis, soweit nicht eine Zuwendung gewährt oder ein Entgelt vereinbart wurde. Erhält der pflegende Angehörige das Pflegegeld, so hat er eine Zuwendung erhalten.